Crystal Meth auf der Rolltreppe

Kennt hier jemand die seit einiger Zeit gängigen „Jugendformate“ von Online-Medien?
DIE ZEIT versucht, sich mit gruseligen Gendertexten an 12jährige Daggi-Fans ranzumachen, die Schminktips auf youtube für innovativ krass halten und nicht wußten, daß man Haarspray nicht essen darf. Das größtenteils recht unselige Format heißt „zett“.

Die Erbsenpistole der Demokratie versucht, sich bei Leuten unter 30 – die sich nicht mehr dran erinnern können, daß DER SPIEGEL mal was mit ernsthaftem Journalismus zu tun hatte – mit „bento“ einzuschleimen. Dabei kommen dann Sachen raus, die Schulpersonal wieder ausbügeln darf. So wie die angebliche Wissenschaftssendung „Galileo“, wo mal behauptet wurde, eine Kompaßnadel zeige nach Norden, weil da ganz viel Eisenerz im Boden liegt.

Da ich hier im Blog ja gerade noch eine kleine Reihe über Kunst und speziell SF laufen habe, wenn die Politik mich nicht ablenkt, habe ich da mal wieder reingelesen. Und Furchtbares entdeckt.

Wie man sich im Jahre 1900 das Jahr 2000 vorstellte.

Ohne jetzt übermäßig pingelig sein zu wollen, ist dieser Artikel eindeutig unter aller Sau. Da stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn ich dran denke, daß irgendwelche Lehrer derartigen Mist dann wieder korrigieren müssen, wenn ihre Schüler damit ankommen. Noch gruseliger ist der Gedanke, daß heutiges Lehrpersonal das schon selber nicht mehr hinkriegen würde mit dem korrigieren.

Da heißt es gleich im Einleitungssatz, daß auf der Weltausstellung im Jahre 1900 der Eiffelturm vorgestellt wurde. Blöd ist, daß der da schon gestrichen werden mußte. Denn der Eiffelturm wurde zur Weltausstellung in Paris im Jahre 1890 gebaut. Und im Gegensatz zu heutigen Bauvorhaben auch pünktlich fertig. Der war also bereits zehn Jahre alt.
Vielleicht hat er so lange gebraucht, um zu lernen, wie man sich vorstellt. Das wiederum entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich hatte das Türmchen mal erwähnt. Witzigerweise in einem Text, der sich irgendwo auch mit Aufklärung und Wissenschaftsgeschichte beschäftigt.

Eindeutig kein Crystal Meth: Die Scho-Ka-Cola von Hildebrand. In der Dose befand sich mit Koffein versetzte Schokolade. Trotz des möglicherweise tatsächlich kraftspendenden Effekts aus Zucker und Koffein hatte dieses Produkt nichts mit der „Panzerschokolade“ des Zweiten Weltkriegs zu tun.

In der Einleitung heißt es dann weiter, die Firma Hildebrand habe damals die Marke „Scho-Ka-Cola“ produziert. Ich erinnere mich daran. Das waren runde Blechdosen, in denen man Schuhcreme vermutet hätte.
Für die Jüngeren sei hier erläutert, daß man früher™, als Schuhe noch nicht in Vietnam zusammengeklebt wurden und womöglich aus Leder statt Plastik bestanden, Schuhcreme in Dosen statt automatischen Flüssigglanz in Tuben benutzt hat, um die Treter zu pflegen. Dazu mußte man die Creme mit einer Bürste auftragen und verteilen und dann mit einer anderen Bürste einarbeiten. Diese Tätigkeit nannte man zu dem Zeitpunkt, als der Eiffelturm gebaut wurde, übrigens Wichsen. Nur für den Fall, daß irgendwem dieses Wort in älteren Texten einmal unterkommen sollte, falls er sich um höhere Bildung bemüht.
Man wichste also die Schuhe – nicht auf oder in die Schuhe – und erst dann gab es Glanz. Ja, meine Kindheit war hart. Aber wir hatten ja nichts.
Das Design der Dosen war Rot-Weiß, wie die amerikanische Zuckerbrause. Ich erinnere mich daran, weil eine meiner Omas dieses Zeug wohl mochte – die Schokolade, nicht die Zuckerbrause – jedenfalls bewahrte sie Nähutensilien in diesen Dingern auf.
Richtig gesagt wird im Text, daß in diesen Dosen mit Koffein versetzte Schokolade war. Aber dann wird vom Autorenduo erzählt, daß eben das als „Panzerschokolade“ bekannt war im Zweiten Weltkrieg, woraufhin ich mich kurz an meinem Tee verschlucke beim Lesen. Mein Kopf fällt augenblicklich auf die Tischplatte. Denn natürlich ist das Blödsinn.

Als Panzerschokolade wurde – mit typischem Soldatenhumor – ein nettes Aufputschmittel bezeichnet, daß von der Wehrmacht und der Luftwaffe gerne mal benutzt wurde, um Menschen in psychopathische Irre zu verwandeln. Denn eine der Nebenwirkungen von Methamphetamin ist Schlaflosigkeit und letztlich Horrortrips. Nicht umsonst ist Schlafentzug eine Foltermethode, jedenfalls, wenn Donald Trump gerade nicht Präsident ist. Wer gewisse amerikanische Serien guckt, kennt dieses Zeug auch. Es heißt heute Crystal Meth.
Man bombardiert keine Städte mit Sturzkampfbombern und dreht sich dabei noch gemütlich eine Zigarette, wenn man ein Käffchen zuviel getrunken hat. Mit einer psychoaktiven Killerdroge wie Meth geht das schon eher.

IIm fünften Punkt des Artikels wird dann gesagt, daß Wettermaschinen, wie sie sich unsere Ahnen vorstellten, teuer und unnötig sind, weswegen es in unserem Jahrhundert keine gibt. Was nicht da steht, aber implizit gesagt wird.
Verehrte Redaktion, Wettermaschinen, also Wetterkontrolle nach Art der guten alten SF, existiert heute noch immer nicht, weil sie nicht funktioniert.
Es ist schlicht nicht möglich, in größerem Maßstab das Wetter zu kontrollieren. Vom Klima reden wir mal gar nicht. Es handelt sich hierbei um chaotische Systeme, und die kontrolliert man eben nicht. Natürlich verstößt diese Erkenntnis gegen das Narrativ des allmächtigen Fortschritts, das ich hier im Blog schon mehrfach erwähnte.
Es kann nicht sein, daß Dinge nicht machbar sind. Weil nach dem Mantra unseres Glaubens alles machbar sein muß. Sei es jetzt Kernfusion oder Wetterkontrolle.

Abschließend heißt es dann, daß im Jahre 1900 Rolltreppen erst noch erfunden werden mußten. Was falsch ist.
Die Rolltreppe an sich datiert aus den 1850er Jahren. Aber damals war es eben noch so, daß man Hamster an Kurbeln gebraucht hätte, um die Treppe im heutigen Sinne rollen zu lassen. Dann wurde diese Geschichte mit der Elektrizität endlich erfunden. Ich erwähnte das sinnigerweise im gleichen Text, in dem der Eiffelturm steht in meinem Blog, und verweise nach oben.
Jedenfalls hatte die Rolltreppe irgendwann ihren ökonomischen Durchbruch, weil es jetzt möglich war, sie elektrisch zu betreiben. Was man auch tat. Auf der Weltausstellung in Paris. Der von 1900. Womit sich der Kreis gruselig halbfalschen Halbwissens schließt.

Das ist also ein Kurztext von den zukünftigen Meinungsmachern, Medienmogulen und Chefredakteuren, -redakteurInnen und -redaktXen. Oder so ähnlich.
Ein wunderschönes Beispiel für miese Texte mit keiner Recherche – oder besser, keinem Allgemeinwissen. Bei zwei Autoren, wohlgemerkt, also Benutzung des sogenannten Vier-Augen-Prinzips.
Gleichzeitig scheint keine Kommentarfunktion zu existieren. Aber natürlich kann man den Text auf Twitter und Facebook teilen. Fake News sind das natürlich nicht, denn die sind bewußte Lügen und Verdrehung von Fakten in ihr Gegenteil. Oder Erfinden von Fakten. Aber rein intellektuell genügt so etwas, um es „Twilight News“ zu nennen, würde ich sagen.

Das sind dann die Werke der Zeitungsschreiber der Zukunft, was ja wiederum zu meinem letzten Beitrag paßt.
Ohne jetzt übermäßig pingelig sein zu wollen, bin ich froh, keine Kinder zu haben, die im richtigen Alter sind, diesen Unsinn zu lesen und womöglich für bare Münze zu nehmen. Ich erwarte keine Wunder von deutschen Medien. Aber ich erwarte Sorgfalt in der Ausübung eines Berufs. Egal, welcher das sein mag. Und ein gewisses Gefühl für Verantwortung.

Was den ebenfalls erwähnten Jules Verne angeht: Bei dem fliegen gar keine Raketen zum Mond. Da wird man noch zum Mond geschossen. Mit einer Kanone. Dafür hat der Franzose eigens den Kanonen-Club in Baltimore erfunden, der in insgesamt drei Romanen vorkommt. Früher hieß es, daß SPIEGEL-Leser mehr wissen. Heute sollte man Blogs lesen. Natürlich mit Sorgfalt.

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